Grenzwerte sind Gesundheitsschutz

Was sind Grenzwerte? Grenzwerte sind Gesundheitsschutz! Grenzwerte sind weder Bestandsschutz noch Umsatzschutz. Dazu werden sie aber missbraucht und das nicht erst seit Köhler und seinen Followern.

Köhler, der nie etwas wissenschaftliches zu toxischen Schäden in Bronchien und Lunge veröffentlicht hat, und nun zum Experten aufgeblasen wird, redet immer davon, dass oberhalb der Grenzwerte keine Todesfälle zu beobachten seien. Er kann also zwischen krank und Tod nicht unterscheiden und alle lassen sich auf das Thema ein, statt ihm den Vogel zu zeigen.

105 Lungenfachärzte wurden verleitet, ein Papier zu unterschreiben, dass neben Köhler ein Vertreter der Autoindustrie formuliert hat, wonach sie noch keine Atemwegserkrankung durch NOx oder Feinstaub in der Praxis „gesehen“ hätten. Warum fragt keiner, wie man eine Ursache einer Krankheit „sieht“, die von vielen Stoffen, die chemisch-irritativ sind, ausgehen können. Keiner fragt, ob und inwieweit NOx und Feinstaub wirken und zwar in Kombination und in Kombination mit anderen schädigenden Expositionen – etwa VOC. Der Fokus, die Lupe zu einer solchen Einsicht heißt Statistik zu Expositionsschwerpunkten (Berufe, Innenstadt). Am Einzelfall in der Praxis sieht man nichts. Sicher werden ausreichend große Kohorten eine erhöhte Rate in den Innenstädten erweisen und zwar für COPD und HRB, beides sind obstruktive Atemwegserkrankungen (Obstruktion heißt Enge, also Atemnot) einmal mit und einmal ohne dauerhaften Lungenschaden. Beides bedingt Schwäche und damit Leistungsminderung. Ob und inwieweit das zu verfrühten Tod führt, ist eine komplexe Modellrechnung zu langjährigen Expositionen. Davon „sieht“ man in einer Praxis natürlich nichts. Das weiß auch jeder, der eine Approbation hat und so gesehen sind diese Unterschriften bestenfalls als Gedankenlosigkeit zu entschuldigen.

Warum fragt keiner danach, was so offensichtlich ist: ein Grenzwert, der seit 1966 (alte TA-Luft) und geringfügig verschärft 2010 (in der Toxikologie ist eine Halbierung der Mantisse „geringfügig“) soll plötzlich „unsinnig“ sein, weil noch keinem Tode aufgefallen sind. Den Grund für diesen Unfug kennt jeder: Drohende Fahrverbote. Es liegt leider in der Natur des Rechtsbegriffs der Gefahrenabwehr. Die unmittelbare Gefahr muss gebannt werden. Bei einem Schornstein ist das vergleichsweise leicht: Rauchgasreinigung oder Stilllegung. Beim Verkehr ist dies wohl schwerer. Jedenfalls traut sich keiner die einzig mögliche Lösung zu formulieren: obligatorische Nachrüstung bei den Fahrzeugen auf Kosten der Autoindustrie. Dazu bedarf es vielleicht etwas juristische Kreativität, ganz sicher etwas Zivilcourage. Diese wird nun Talk für Talk kaputtgequasselt. Die richtigen Fragen werden nicht gestellt und Köhler wird ernst genommen. 105 Unterschriften, teils fahrlässig, teils wider besseren Wissens gewährt, gelten plötzlich als Wissenschaft.

Dass Grenzwerte Gesundheitsschutz sind, wird vergessen. Köhler ist der erste Mediziner, der sich so weit aus dem Fenster lehnt, dass er Lebensgefahr an Stelle von Gesundheitsgefahr setzt. Und das qualifiziert ihn plötzlich als Koryphäe, statt ihn als Zäpfchen der Autoindustrie abzutun.

Das hier Entscheidende ist, dass der gesetzliche Gesundheitsschutz durch hanebüchenen Unfug unterlaufen wird, einfach dadurch, dass ein außerordentlicher Professor als die Autorität aufgeblasen wird, obwohl er vorher nie auf dem Gebiet der Epidemiologie oder der Toxikologie hervorgetreten ist. Ob die Autos (und die Schiffe) endlich eine Entgiftung wird am Ende der Steuerzahler oder gar der Autokäufer bezahlen. Aber der Gesundheitsschutz bleibt auf der Strecke.

Der Umweltschutz wurde schon immer unterlaufen wurde – eine Abwärtsspirale seit den 80er Jahren – neu ist nur, dass man sich beim Lügen keine Mühe mehr gibt. Die Autoindustrie hat das nicht mehr nötig. Sie kann sich jeden Clown kaufen, den sie braucht: Dieter Nuhr, Dieter Köhler und Andreas Scheuer. Letzterer begrüßt den Unfug als Versachlichung und propagiert dann die Überprüfung der Grenzwerte.

Letzterer nennt auch ein Tempolimit als gegen den Menschenverstand verstoßend. Das Ganze geht deshalb tief: es wird durch aufwändige Verdummung getragen. Offensichtliche grobe Manipulation wird als solche gar nicht mehr thematisiert, sondern der Unfug wird sofort als ernstzunehmendes Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Wenn wir nicht mehr die Courage aufbringen, den Gesundheitsschutz zu verteidigen und zu verbessern (die Prävalenz der chronischen Krankheiten steigt ja seit dem Krieg) wegen ein paar Abgasentgiftungen bei den Autos, dann kann ich nur sagen, dass ich froh bin, dass ich die 70 erreicht habe und das Schlimmste nicht mehr mitbekommen werde.

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