Niederlage durch falsche Themensetzung

Die chronisch Vergifteten in Europa haben die Diskussionsrunde seit der Psychothese (Ökochonder, 1996) mit Pauken und Trompeten verloren.

Die Foren wurden immer dürftiger, die SHG’ s immer weniger und leiser und die Mehrheit glaubt immer noch, es gehe um Wissenschaft.

Wie und wodurch erleidet eine Seite eine Niederlage, wenn sie Recht hat? Nach Habermas verliert der, der die Sprache des Gegners übernimmt. In diesem Fall ist es die Themensetzung. Wer 20 Jahre über das falsche Thema diskutiert, wird unterliegen. Die „Scene“ der Umweltkranken hat 20 Jahre über „Wissenschaft“ diskutiert, statt über Recht. Die wissenschaftlichen Fragen zur Diagnostik (Definition dieser Krankheiten) und der verursachenden Substanzen waren 1985 wissenschaftlich zuverlässig geklärt. Dass unsere Umwelt im Durchschnitt bereits toxisch ist, ist seit 1987 amtlich. Für etliche Substanzen ist die ubiquitäre Durchschnittsdosis toxisch. Dies hat der Sachverständigenbeirat bereits 1987 eingeräumt.

Darüber wird in der Scene aber nicht diskutiert. Die rechtlich wirksamen Informationen traut sich keiner in ihrer vollen Bedeutung ins Feld zu führen. Denn dazu benötigt man Courage. Man sagt dem „Professor“ nicht, dass seine Vorstellungen der Sache von gestern oder vorgestern sind. Denn man will Anerkennung von eben diesem.

Eine Falschdarstellung der wissenschaftlichen Sachlage ist in dem einen Fall Prozessbetrug und im anderen Fall Beihilfe zur Körperverletzung. Das machen Gutachter seit Jahrzehnten unter Anleitung von Versicherungen. Aber keiner der Betroffenen und deren Anwälte oder der Umweltmediziner traut sich, dies zu thematisieren.

Die Betroffenen scheitern an einer großen Anzahl juristischer Hürden, die einfach als „legal“ durchgezogen werden. Diese Hürden sind nicht legitim – etwa die Verfahren jahrelang hinzuziehen, die Akten aufzublähen mit abwegigem Gezänk. Vor allem aber sind sie auch nicht legal, insofern die Wiederholung von hoch veralteten Ansichten, die Gesetzeslage unterlaufen. Wahrheit ist in solchen Verfahren als der „allgemein anerkannte Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis” definiert. Diesen verbiegen die Gutachter, um die Rechtslage zu verbiegen. Das ist mittlerweile so zur Routine geworden, dass alle glauben, dass wir über chronische Vergiftungen wirklich nichts wissen.

Alle die Betroffenen, die Aktivisten, die Umweltmediziner trauen sich nicht, die Rechtslage zu diskutieren, sondern flüchten sich in den wissenschaftlichen Diskurs. Sie geben damit den Gegnern im Wesentlichen – im rechtlich Entscheidenden – recht. Der Diskurs zählt rechtlich nicht. Denn es zählt nur der „allgemein anerkannte Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“. Dies ist ein Rechtsbegriff. Er setzt einen Anerkennungsprozess voraus. Der Erkenntnisinhalt ist demzufolge veraltet. Für die rechtliche Anerkennung von 95% der chronisch Vergifteten von Innenraumbelastungen durch VOC, PCB und Pestiziden genügt der Kenntnisstand der 80er Jahre, insbesondere die Publikationen von 1985 bis 1987 – auf WHO-Ebene.

Die Betroffen, Aktivisten und Umweltmediziner haben aber 20 Jahre immer wieder nur gefragt, ob sie das glauben dürfen, statt es als Allgemeingut durchzusetzen.

Gutachter, die ihre Jahre damit verbringen, immer wieder aufs Neue die verbesserte, wissenschaftliche Erkenntnislage zu Müll zu verarbeiten, werden das so weitermachen. Dabei sind sie schnell und effektiv. Schließlich ist das die einfachste Methode, um Karriere zu machen. Es ist das Karrieresprungbrett für die Dünnbrettbohrer.

Niemand fällt denen in den Arm. Das wäre aber notwendig, damit der Rechtsstaat so funktioniert, wie er gedacht ist. Der Rechtsstaat ist kein Kindergeburtstag. Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um Recht bekommen. Die Seite der Betroffen tut nichts dafür, dass die rechtlichen Hürden auf ein vernünftiges Maß gesenkt werden. Es ist allgemeine Aufklärung notwendig, was wir in den 80er Jahren alles schon wussten und uns haben ausreden lassen, von Leuten, denen es gleichgültig ist, ob Existenzen sozial und physisch vernichtet werden.

Recht bekommen ist Arbeit.

Derzeit stolpern alle unvorbereitet und in der Regel fehlinformiert in die Verfahren, erkennen ihre Chancen nicht und beharren zäh auf alten, falschen Vorstellungen. Das wird so bleiben, solang alle wie die Katze um den heißen Brei schleichen, der da heißt: Wie geht „Recht bekommen“?

 

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3 Antworten auf Niederlage durch falsche Themensetzung

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