Dieter Nuhr ist Perfektionist. In seinem Jahresrückblick hat er reichlich Watschen für den Umweltschutz mit umwerfenden Unterhaltungswert verabreicht. Er verlangt eine Erhöhung des NOx-Grenzwertes, die Streichung der Gemeinnützigkeit der Umwelthilfe, damit sie nicht mehr Klagen kann, und Beendigung der Messüberwachung an den Orten der höchsten Schadstoffkonzentrationen. Das alles sei übertrieben.
Die Erleuchtung zu diesen Aussagen hat er durch eine Kerze. „Eine Kerze produziert das Dreifache des NOx-Grenzwertes“ – bedeutungsvolle Pause „Ja, so ist es“. Es ist schon eine Leistung, in einem Satz von acht Wörtern drei gravierende Rechenfehler und zwei gravierende Deutungsfehler unterzubringen. Das ist ganz große Verblödungsschule mit Brüller: deshalb gäbe es keinen 5. Advent – das ist reif für die Bütt.
Ich fragte mich, ob er etwas verwechselt hat. NOx bei einer Kerze? Wachs enthält keinen Stickstoff und für thermisches NOx ist die Flamme zu kalt; na ja, in der Spitze der Flamme vielleicht. Googeln erbrachte dann eine NOx-Menge von 120 ng – ohne Angabe von Kerzengröße und Brenndauer. Nun ist in der Tat dreimal 40 120 (40 * 3 = 120). Allerdings beträgt der Grenzwert 40 µg/m³ und ein ng (Nanogramm) ist ein Tausendstel µg (Mikrogramm). Nach Nuhr ergeben drei Elefanten eine Maus – Rechenfehler: Faktor 333. Es müssten also 333 Kerzen sein – welcher Advent wäre das?. Das ist aber noch nicht alles. Der Grenzwert ist eine Konzentration pro Kubikmeter (m³), die Angabe für die Kerze eine Menge. Also brauchen wir noch eine plausible Raumgröße, sagen wir 15 m² Wohnfläche mal 3 m Deckenhöhe = 45 m³. Das erhöht den Rechenfehler auf 15 000. Man wird es kaum schaffen am 5. Advent (Heiligabend) 15 000 Kerzen im Wohnzimmer abzubrennen. Wir sind aber noch nicht fertig. Der Leser kann jetzt ruhig erst einmal eine Kerze anzünden und in die Flamme gucken; das beruhigt seit der Mensch Feuer machen kann.
Der Immissionsgrenzwert gilt als Langzeitwert – eigentlich lebenslang, aber ich will mal nicht so sein und nur eine Jahr rechnen: Das Jahr hat 8 600 h, nehmen wir 5 h pro Advent und die Weihnachtsfeiertage und noch einen Abend extra, ergibt sich ein Korrekturfaktor 8 600 / 40 = 215 und damit ein Gesamtfehler von einem Faktor 3 225 000. Übertrieben? So etwas kommt immer dann vor, wenn einer beim Zahlenvergleich bereits einen Faktor 1000 daneben liegt, keine Ahnung hat, wie man zwei verschiedene physikalische Größen ineinander umrechnet, und dann noch den Zeitfaktor unterschlägt. Solches sind die üblichen Verharmlosungstricks in Falschgutachten. Selten macht einer alle drei Fehler in einer Rechnung. Das machen nur die ganz Ahnungslosen, die sich selbst für superintelligent halten, und glauben, keiner prüfe das nach.
Nuhrs Jockus gipfelte in der Behauptung, gemäß dieses Schwachsinnsgrenzwertes müssten ja am 4. Advent medizinische Folgen zu merken sein. Im Kontext wurde von Toten geredet. NOx ist nicht tödlich, aber es schafft Invaliden, toxische Invaliden, die entweder arbeitsunfähig oder erwerbsunfähig sein können (etwa durch ein Hyperreagibles Bronchialsystem (Asthma bronchiale)). Das brüllende Gelächter seines Auditoriums ist weglachen eines Problems. Seine Komik ist Anleitung zum Mobbing. Messstellen in der Stadtmitte sind durchaus realistisch: wer seine Wohnung oder sein Büro dort hat, ist direkt gesundheitsgefährdet.
Nuhr wusste genau, was er tut. Die Umwelthilfe soll nicht mehr klagen können. Das ist die Leitschnur, die leider die Umweltschützer bisher nicht verstanden haben. Der Umweltschutz soll kein einklagbares Recht werden. Er hat sich also genau gemerkt, was er sagen muss. Das ist der springende Punkt: Umweltprozesse torpedieren, also Beihilfe zur Körperverletzung durch Mobbinganleitung. Dazu muss man das Umweltrisiko gnadenlos bis zur Lächerlichkeit kleinreden. Mein Spezialität war es einst „beinhart zu rechnen“ wie mir eine Wiener Aktivistin attestierte. So konnte ich einst die Verharmlosung der Müllverbrennung aufdecken und dem Recycling freie Bahn schaffen. Aber so etwas interessiert heute keinen mehr. Das Vorkommen chronischer Krankheiten ist seither gestiegen (derzeit 38%); dagegen höhnt Nuhr sinngemäß: am 4. Advent ist noch keiner tot umgefallen.
Psychologisch ist dies die Ausnutzung der Tatsache, dass des Menschen Seele nur zwei Ausgänge hat: das Lachen und das Weinen.
Die toxischen Invaliden werden von vielen Umweltgiften erzeugt. Das ist seit 1987 wissenschaftlich durch den Sachverständigenbeirat anerkannt und schlimmer statt besser geworden. Die Liste der Schadstoffe ist lang. Der jeweilige Anteil der Einzelsubstanzen kann nicht errechnet werden. Der Anteil derer, die Verharmlosen durch weglassen der Komponenten, die das tatsächliche Risiko erkennbar machen (Verdummer), ist hoch. Hier liegt mittlerweile das eigentliche Umweltproblem. Das Wissen ist ja da und Schadstoffersatz ist nicht schwer. Der kostet keine Arbeitsplätze. Das hat die Autoindustrie immer behauptet und so gelogen, dass es nun vielleicht doch welche kostet, denn das gute Image der deutschen Autos ist dahin. Das ist die gleiche Blödheit aus Arroganz, wie von Nuhr. Die beiden passen zusammen.
Nuhr so weiter …