Politik und Menschenwürde

Ich habe mich bisher aus der Politik herausgehalten, weil mir immer der Inhalt wichtig war und nicht die Zugehörigkeit zu irgendeiner Krabbelgruppe. Auch jetzt, da die Auswahl immer größer wird, ich will dennoch keinen Stallgeruch annehmen. Aber ich spüre die Notwendigkeit gewissen Entwicklungslinien nachzugehen, um über den einen oder anderen Tellerrand hinausschauen zu können. Hier zunächst einige Anmerkungen zu Dem Problem, das unsere Zeit prägt.

Zurzeit zerlegt es Parteien. Und es geht nicht um’ s Geld. Da geht einer von der CSU zu den Grünen, weil er den Ausdruck „Asyltourismus“ unerträglich findet und auch Asylindustrie (Da hat sich Dobrint voll vertan). Und ein anderer geht zur AfD, weil die CSU „das“ nicht umsetzt. Ein schönes Beispiel für den Satz: „In Gefahr und größter Not, führt der Mittelweg zum Tod“.

Ganz anders die Auflösung der SPD. Keiner denkt bei SPD mehr an soziale Gerechtigkeit. Es hat lange gebraucht, dass es alle verstanden haben, aber bei der Bayernwahl 2018 war es soweit. Keine Umfrage hat den Absturz auf Null vorhergesagt und kein Kommentator hat es geahnt. Dabei hat es eine eindeutige Wählerbewegung schon in der Bundestagswahl – bzw. dramatische Bewegung in den Umfragen – gegeben. Als Schulz etwas – noch vage – zu einer Korrektur von Hartz IV gesagt hatte, gingen die Umfragewerte durch die Decke: nur ein Prozentpunkt von der CDU entfernt. Hätte er nur etwas draufgesetzt und zwar glaubwürdig, er wäre es geworden. In dem Maße wie klar wurde, dass das nur ein müder Pub war und das Ei nicht kommen würde, ging alles nach unten, diesmal durch den Fußboden. Schröder hat die SPD zerstört. Gestern hat ein Wahlkommentator gesagt: die überzeugten Sozialisten sind zu den Linken gegangen, die Bürgerlichen zu den Grünen und die Arbeiter zur AfD. Was bleibt da übrig? Nur die mit dem Stallgeruch. Nun lüften die Wähler.

Bei Hartz IV geht es nicht (nur) um‘ s Geld, sondern um die Menschenwürde. Ein knappes Auskommen akzeptieren viele, aber das man erst alles hergeben muss, was man mal angespart hat und sich aufgebaut hat, ist Demütigung und ein Verdonnern zur Ohnmacht. Das ist das „Fordern“. Und das „Fördern“? Da sieht es so aus: 1-€-Jobs, Aufstocker und Leiharbeit. Der Boom der letzten Jahre hat das nicht abgeschafft. Nun sieht jeder, das Harz IV die verlorene Menschlichkeit nicht wieder herstellt, wenn es boomt. Es traut sich auch kein SPDler mehr zu sagen, Hartz IV sei der Vater des Aufschwungs (es gab mal eine Zeit). Politisch spielt es auch keine Rolle: die Gedemütigten sind längst bei der AfD. Deshalb lassen sie sich vor den Nazi-Karren spannen, weil sie denken die Flüchtlinge bekommen das Geld, was man Ihnen weggenommen hat. So wird Schröder zu einem der Gründerväter der AfD, effektiver als all‘ die Carl-Schmitt-Schüler mit ihren Vorstellungen eines Reichs.

Ich habe seit fast zwei Jahrzehnten täglich miterlebt, was mit dem Denken geschieht, wenn man Leute, die sich selbst nicht mehr helfen können, allein lässt und auch noch verhöhnt. Ich habe es nie verstanden, warum man die Vergifteten aus einem Gebäude mobbt und als Deppen (Ökochonder, Hysteriker, Rentenneurotiker u. dergl.) hinstellt, statt das Gebäude zu sanieren. Für diese Sorte Dummheit, fällt mir immer noch keine Bezeichnung ein und auch kein historisches Beispiel. Fakt ist, man nimmt ihnen die Würde und damit alle Rechte. Keine Versicherung zahlt, keine Gewerkschaft setzt sich ein, die Kollegen mobben.

Gemeinsamer Nenner für diese Entwicklungen ist die Demontage des Rechtsstaates. Das ist das gemeinsame Ziel. Der existenzielle Ruin wird dabei billigend in Kauf genommen.

Hierin liegt die Chance für jede politische Initiative. Wut kann man kanalisieren. Das hat die AfD gezeigt. Gott sei Dank, sind die aber so dämlich zu glauben, das reiche auf Dauer. Denen wird diese „Das-haben-wir-nicht-nötig“-Arroganz bei allen Sachthemen in nicht allzu ferner Zeit das Genick brechen, denn die Wutbürger sind empfindlich für’ s „Im-Stich-lassen“. Wer aber die Zeit erkennen und auch nutzen will, der erinnere sich an den Artikel I des Grundgesetzes. Der sollte ein „Nie-wieder“ absichern. Heute ist er ausgehöhlt. Das hatten einstmals die Piraten erkannt (daher ihr kurzer Boom), aber deren mangelnde Bildung hat offenbart, dass sie nicht wussten, was Menschenwürde eigentlich ist. Denn das ist es, was man den Menschen nehmen muss, um alles mit ihnen machen zu können. Das versteht man nicht, wenn man nur Transparenz fordert. Durchblick ist was anderes. Die AfD und ihr Umfeld wird zur Gewalt greifen. Das haben sie schon bewiesen. Die anderen Parteien setzen auf Reichtum für alle (s. Schröder). Letzteres führt zur Oligarchie, ersteres zur Diktatur. Es sieht schlecht aus für die Menschenwürde.

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